15. Oktober 2011

»Leserbrief«
Den »Euro-Rettungsschirm« gibt es nicht in Wirklichkeit. Mit viel, viel Geld, das dem in­sol­ven­ten Schuld­ner Grie­chen­land nach­ge­wor­fen wird, rettet man weder den Euro noch Grie­chen­land. Schon der Name »Schirm« ist eine Er­fin­dung von Politik und Medien. Schützt man denn einen Über­schul­de­ten, indem man ihm noch mehr Schul­den auf­bürdet? Selbst die Gefahr für den Euro wird bloß herbeigeredet. (Karikatur)
Grob gerechnet hat die Euro-Zone insgesamt ein Bruttoinlandsprodukt von 9 Billionen Euro (2007, Wikipedia), das sind 9000 Milliarden, davon Griechenland 22o Milliarden (Wikipedia), also nicht einmal 2,5 Prozent. Bei den Schulden sieht es ähnlich aus: Die Euro-Zone soll mit über 7 Billionen Euro in der Kreide stehen, Griechenland hat angeblich 300 Milliarden Schulden, 4 Prozent davon. Daraus ist höchstens die besondere Schieflage Griechenlands zu erkennen. Doch ob nun 2, 3, oder 4 Prozent – eine Gefahr für den Euro insgesamt lässt sich nur mit Gerede über »unabsehbare Folgen« orakeln, nicht begründen.
Irgendetwas müssen sich doch 1992 die Gründer mit der No-bailout-Klausel gedacht haben, die jeden EU-Staat für seine eigenen Schulden haften lässt, siehe http://de.wikipedia.org/wiki/Nichtbeistands-Klausel? »Die Nichtbeistands-Klausel (auch No-Bailout-Klausel) bezeichnet eine fundamentale Regelung der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion (EWWU), die in Art. 125 AEU-Vertrag festgelegt ist. Sie schließt die Haftung der Europäischen Union sowie aller Mitgliedstaaten für Verbindlichkeiten anderer Mitgliedstaaten aus.« Solidargemeinschaften zu beschränken, sichert neben einer verstärkten Eigenverantwortung den Schutz des Ganzen.
Wer sich an der großen Zehe stößt und schreit: »Ich sterbe!«, ist entweder ein Journalist, Wirtschaftsfachmann oder Politiker*).
Lassen wir Griechenland »im Stich«, so dient das Griechenland und dem Euro mehr, als ein »Schirm«, der Griechenland mit noch mehr Schulden überschüttet. Nur »Nichtbeistand« wäre sinnvoll und vertragskonform. Doch Politiker aller Länder haben sich daran gewöhnt, feste Vereinbarungen zu brechen. So sind in der Währungsunion ein bis zu drei Prozent jährlich steigendes Defizit erlaubt (warum eigentlich?) und als Gesamtschulden sechzig Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Wie es wirklich aussieht, zeigt ein eindrucksvolles Diagramm.
So. Was würde passieren, ließe man Griechenland seinen Weg gehen? Diejenigen, die die besonders rentierlichen griechischen Anleihen finanziert haben, hätten das Nachsehen. Sie müssten sich mit Griechenland über einen Schuldenschnitt einigen. Nur wenn man Griechenland Geld »schenkt«, kann man in der überschuldeten Situation helfen. Mit dem Euro hat das nichts zu tun.
Weiter. Was könnten die Griechen tun, um wieder an frisches Geld zu kommen? Eine »Abwertung« des griechischen Euro geht nicht, also müssten sie dafür zumindest temporär die Euro-Zone verlassen und eine eigene Währung einführen, den Phoenix vielleicht? Ihre Sache. Ihnen das vorzuschlagen ist nicht »gegen« Griechenland, schon gar nicht anti-europäisch. (Im Bild eine belgische Zehn-Euro-Münze aus dem Jahr 2004. Von 1828 bis 1832 war der Phoenix griechische Währung, schreibt Wikipedia.)
Die Staaten brauchen sich nur an die eigenen Regeln zu halten. Sie müssen sparen, sofort, und nicht immer erst in der kommenden Legislaturperiode. Und Solidargemeinschaften müssen entkoppelt bleiben.

*) »Mischuld an der Finanzkrise?« NZZ schreibt über Wirtschaftsjournalismus.
PS. Deutschland haftet bereits mit 465 Milliarden Euro, Quelle.
Hans-Werner Sinn: Warum man Schulden nicht vergemeinschaften darf.
Die NZZ schreibt in einem Leitartikel »Die Kosten von Staatspleiten« (nat. 15., int. 17. 10. 11), Cesifo in München habe 180 Staatspleiten der letzten 40 Jahre untersucht, durchschnittlicher Schuldenschnitt 38%. Nach wenigen Jahren normalisierten sich die Zinskosten für diese Staaten wieder, doch je höher der Schuldenschnitt, desto höher die späteren Zusatzkosten.

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