24. September 2013

Politik, künftig

Schmunzelnde Angela Merkel. Foto Eisele
Meiner einen »Followerin« fehlte mein politischer Senf zur Wahl. Schon dieser Satz liest sich knorzig. Ja, was soll ich denn sagen? Si tacuisses ... – so isses.
   Alles zur deutschen Politik hat vor der Wahl die Neue Zürcher Zeitung gesagt, im vorsonntäglichen Leitartikel: »Die deutsche Biedermeierstube«, hier. Abgesehen davon, dass bald niemand mehr den Ausdruck Biedermeier kennt, war’s das schon.
   Ich will aber nicht kneifen.
   Nachdem die Alternative für Deutschland (AfD) mit 4,7 Prozent der FDP gleich »das Wasser gereicht hat«, hat sie's ihr auch wieder »abgegraben«. Deutschlands Liberaldenker sind geteilt untergegangen. Ohne AfD hätte es die FDP vermutlich noch einmal über die Hürde geschafft – was aber, siehe vergangene Legislaturperiode – wieder nichts geholfen hätte. (Und die AfD hat sich’s mit ihrem »Wahlprogramm« -- nota bene nicht generell »Programm« – gegen den Euro verscherzt.)
   Große Volksparteien brauchen kein Programm. Sie sind da, um es allen recht zu machen. Nette Persönlichkeiten genügen. Und wenn sie dann noch keine sichtlichen Fehler machen wie Frau Merkel, dann passt's schon. Kleine Parteien sollten wissen, was sie wollen, und dabei bleiben. Auch ihnen schaden Persönlichkeiten nicht – ich denke da an Gysi –, am wichtigsten ist aber ein Programm. So etwas hat die FDP schon gefühlte vierzig Jahre lang nicht mehr gehabt. Oder hat schon mal wer unseren Guido Westerwelle von Hayek sprechen hören? Die FDP hing ihr Fähnchen nach dem Wind oder sprang mit dem Fallschirm in den Tod. Substanziell blieb nur die Mehrwertsteuersenkung für Hotels in Erinnerung, ungut.
   Ich meine: Schade ist’s nicht um die FDP.
   Schade ist, dass es keine liberale Partei gibt in Deutschland. Liberal ist zum Schimpfwort verkommen. Ein möglichst freies Agieren des Marktes dient eben nicht der Abzocke, sondern einem Ausgleich von tatsächlicher Nachfrage und Angebot. Liberal ist ein Autopilot zu Effizienz, zu sinnvollem Ressourceneinsatz und allgemeiner Happyness, statt der tausend staatsgläubigen Stellschrauben der Planwirtschaft, die sich gesetzlich um zehn Euro Praxisgebühren kümmert. Freilich muss Liberalität Grenzen haben, und die möge der Staat setzen. Genug darüber.
   Was jetzt kommt? Auch dazu will ich nicht kneifen. Ich vermute, dass sich die SPD nach ein Bisschen Zieren gnädig zu einer großen Koalition wird herablassen. Dann wird alles noch verstaatlichter. Neuwahlen werden die Sozialdemokraten scheuen, weil’s ein Riskiko ist, und weil sie als »Spielverderber« dabei nicht gewinnen können. Am liebsten wäre mir eine Minderheitsregierung: Da käme wieder Leben ins Parlament. Da würde nicht die ganze Politik einer Legislaturperiode vorneweg in ein paar Wochen Kolaitionsverhandlungen abgefeiert. Dann gäb’s endlich einmal Bewegung.
   Das wirklich Tragische in unseren Demokratien mit Parteidisziplin ist nicht was Nicht-Wollen, ’s ist das Nicht-Können, weltweit. Unsere formale Demokratie ist derart verfilzt, pardon: von gegenseitigen Abhängigkeiten geprägt, dass nichts geht. Hier keine Reform der Bundesländer (wir haben 16, wozu?), des Wahlsystems (wir haben 630 Abgeordnete, die USA 435), der Steuer (wir zahlen ans Land, das dann irgendwie hinauf- und hinuterverteilt), der verschiedenen »Solidargemeinschaften«. Nicht einmal Personalausweis und Führerschein bekommen wir auf eine Karte. Alles liegt fest, ist versiegelt und verklebt, verkrustet, altmodisch eher.
   Wir warten förmlich auf den nächsten Diktator, der das aufbricht. Er kommt bei der nächsten richtigen Krise, wenn die Leute auf die Straße gehen, um sich ihren heute verspielten Wohlstand wieder per Gesetz oder Notverordnung herbeizudemonstrieren. Tut mir leid.

»Die Mühen des Liberalismus’ in Deutschland«, NZZ

Link zu diesem Eintrag: http://blogabissl.blogspot.com/2013/09/politik-kunftig.html

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