29. November 2017

Christkönigsfest

Im Kalender steht: 
   Totensonntag. Der letzte Sonntag im November, zugleich also der letzte im Kirchenjahr, der trägt noch Novemberstimmung in sich. Viele nehmen ihn so. Genau sagt es die Wikipedia: »In Deutschland begeht die evan­ge­li­sche Kirche am letzten Sonntag des Kirchenjahres den Totensonntag, wäh­rend protestantische Kirchen im englischsprachigen Ausland, die dem englischsprachigen Revised Common Lectionary folgen, den Christ­königs­sonntag in ihren liturgischen Kalender übernommen haben.«
   Ich ging um halbelf in die katholische Stiftskirche in Bonn. Dort über­raschte mich das Christkönigsfest. Die Kirche voll! Dass noch vor Weihnachten ein richtiges Hochfest gefeiert wird, hatte ich nicht gedacht. 
   Während sonst stets nur von Gottes Liebe an uns alle gesprochen wird, geht es in diesem erst 1925 eingeführten Fest richtig zur Sache. 
   Inzwischen ist der Glaube an Himmel und Hölle ziemlich verschwunden, ganz besonders an die Hölle; das Fegfeuer wird schon lang nicht mehr gelehrt. Unsere ewige Welt ist zum Nirwana geworden oder zum Paradies, zum Fluchtort als immaterieller Fluchtpunkt.
   Doch zurück zur Messe.

Erste Lesung: Der gute Hirt
Ez 34,11 Denn so spricht Gott, der Herr: Jetzt will ich meine Schafe selber suchen und mich selber um sie kümmern.
Ez 34,12 Wie ein Hirt sich um die Tiere seiner Herde kümmert an dem Tag, an dem er mitten unter den Schafen ist, die sich verirrt haben, so kümmere ich mich um meine Schafe und hole sie zurück von all den Orten, wohin sie sich am dunklen, düsteren Tag zerstreut haben.
Ez 34,13 Ich führe sie aus den Völkern heraus, ich hole sie aus den Ländern zusammen und bringe sie in ihr Land. Ich führe sie in den Bergen Israels auf die Weide, in den Tälern und an allen bewohnten Orten des Landes.
Ez 34,14 Auf gute Weide will ich sie führen, im Bergland Israels werden ihre Weideplätze sein. Dort sollen sie auf guten Weideplätzen lagern, auf den Bergen Israels sollen sie fette Weide finden.
Ez 34,15 Ich werde meine Schafe auf die Weide führen, ich werde sie ruhen lassen - Spruch Gottes, des Herrn.
Ez 34,16 Die verloren gegangenen Tiere will ich suchen, die vertriebenen zurückbringen, die verletzten verbinden, die schwachen kräftigen, die fetten und starken behüten. Ich will ihr Hirt sein und für sie sorgen, wie es recht ist.
Ez 34,17
(*)
Ihr aber, meine Herde - so spricht Gott, der Herr -, ich sorge für Recht zwischen Schafen und Schafen, zwischen Widdern und Böcken.


Die zweite Lesung mag wohl meist entfallen. Bitte also überspringen.
1 Kor 15,20 Nun aber ist Christus von den Toten auferweckt worden als der Erste der Entschlafenen.
1 Kor 15,21 Da nämlich durch einen Menschen der Tod gekommen ist, kommt durch einen Menschen auch die Auferstehung der Toten.
1 Kor 15,22 Denn wie in Adam alle sterben, so werden in Christus alle lebendig gemacht werden.
1 Kor 15,23 Es gibt aber eine bestimmte Reihenfolge: Erster ist Christus; dann folgen, wenn Christus kommt, alle, die zu ihm gehören.
1 Kor 15,24 Danach kommt das Ende, wenn er jede Macht, Gewalt und Kraft vernichtet hat und seine Herrschaft Gott, dem Vater, übergibt.
1 Kor 15,25 Denn er muss herrschen, bis Gott ihm alle Feinde unter die Füße gelegt hat.
1 Kor 15,26 Der letzte Feind, der entmachtet wird, ist der Tod.
15,27 Sonst hätte er ihm nicht alles zu Füßen gelegt. Wenn es aber heißt, alles sei unterworfen, ist offenbar der ausgenommen, der ihm alles unterwirft.
1 Kor 15,28 Wenn ihm dann alles unterworfen ist, wird auch er, der Sohn, sich dem unterwerfen, der ihm alles unterworfen hat, damit Gott herrscht über alles und in allem.


Es folgt das Evangelium vom Weltgericht:
Mt 25,31 Wenn der Menschensohn in seiner Herrlichkeit kommt und alle Engel mit ihm, dann wird er sich auf den Thron seiner Herrlichkeit setzen.
Mt 25,32 Und alle Völker werden vor ihm zusammengerufen werden und er wird sie voneinander scheiden, wie der Hirt die Schafe von den Böcken scheidet.
Mt 25,33 Er wird die Schafe zu seiner Rechten versammeln, die Böcke aber zur Linken.
Mt 25,34 Dann wird der König denen auf der rechten Seite sagen: Kommt her, die ihr von meinem Vater gesegnet seid, nehmt das Reich in Besitz, das seit der Erschaffung der Welt für euch bestimmt ist.
Mt 25,35 Denn ich war hungrig und ihr habt mir zu essen gegeben; ich war durstig und ihr habt mir zu trinken gegeben; ich war fremd und obdachlos und ihr habt mich aufgenommen;
Mt 25,36 ich war nackt und ihr habt mir Kleidung gegeben; ich war krank und ihr habt mich besucht; ich war im Gefängnis und ihr seid zu mir gekommen.
Mt 25,37 Dann werden ihm die Gerechten antworten: Herr, wann haben wir dich hungrig gesehen und dir zu essen gegeben, oder durstig und dir zu trinken gegeben?
Mt 25,38 Und wann haben wir dich fremd und obdachlos gesehen und aufgenommen, oder nackt und dir Kleidung gegeben?
Mt 25,39 Und wann haben wir dich krank oder im Gefängnis gesehen und sind zu dir gekommen?
Mt 25,40 Darauf wird der König ihnen antworten: Amen, ich sage euch: Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.
Mt 25,41 Dann wird er sich auch an die auf der linken Seite wenden und zu ihnen sagen: Weg von mir, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer, das für den Teufel und seine Engel bestimmt ist!
Mt 25,42 Denn ich war hungrig und ihr habt mir nichts zu essen gegeben; ich war durstig und ihr habt mir nichts zu trinken gegeben;
Mt 25,43 ich war fremd und obdachlos und ihr habt mich nicht aufgenommen; ich war nackt und ihr habt mir keine Kleidung gegeben; ich war krank und im Gefängnis und ihr habt mich nicht besucht.
Mt 25,44 Dann werden auch sie antworten: Herr, wann haben wir dich hungrig oder durstig oder obdachlos oder nackt oder krank oder im Gefängnis gesehen und haben dir nicht geholfen?
Mt 25,45 Darauf wird er ihnen antworten: Amen, ich sage euch: Was ihr für einen dieser Geringsten nicht getan habt, das habt ihr auch mir nicht getan.
Mt 25,46 Und sie werden weggehen und die ewige Strafe erhalten, die Gerechten aber das ewige Leben.

Starker Tobak! Wie soll das gehen? Hören wir (wie ich sie hörte) die 
Predigt von Pfarrer Benno Leiverkus am 26.11.2017.
   Hier seine Aufzeichnungen, genau so, wie er sie mir anvertraute:

Was versteht man unter einem praktizierenden Christen? – 
einfach zu beantworten: die sonntags zum Gottesdienst gehen.

Zumindest die Katholiken: „Sonntagspflicht“. 

???  Gottesdienstbesuch als die Erfüllung unserer Pflicht Gott gegenüber!  ???

Frage!  Warum taucht dieser Punkt in der Gerichtsrede aus dem heutigen Evangelium überhaupt nicht auf?

Alles Mögliche: die Kranken, die Alten, die Obdachlosen ... – Aber steht irgendwo: »Ich hab’ Euch zur Kirche gerufen und Ihr seid nicht gekommen«?
Der Gottesdienst wird mit keinem Wort erwähnt.

Was für uns landläufig im Mittelpunkt steht, wenn wir an Religion und Kirche denken – im Gleichnis Jesu kommt es überhaupt nicht vor.
Sollten wir uns da so getäuscht haben?

!! Holzweg !!
Gottesdienst, das ist doch nicht zuerst unser Dienst an Gott. Als ob wir hier wären, weil ER den Gottesdienst nötig hätte oder sonst irgendetwas von uns bräuchte, das er selbst nicht schon lange hätte? Das, was wir im Gottesdienst tun, das ist allerhöchstens danken und bitten.
Dienen tut dabei doch Gott! Gottesdienst, 
das ist zuallererst Gottes Dienst an uns!
… seiner Nähe versichern; Punkte, an denen wir seine Gegenwart erleben und erfahren; Hilfe zum Leben; Feiern, die uns gut tun; zur Ruhe kommen; neue Orientierung und Hilfe für unser Leben. Unsere Gottesdienste, die sind zuallererst einmal für uns da.

Unser Dienst diesem Gott gegenüber, der muss anders aussehen. Und wie, das sagt uns in aller Deutlichkeit das heutige Evangelium. Jesus macht uns dort unmissverständlich klar: 
Wirklicher Gottesdienst – das ist Menschendienst.
… den Kranken dienen, den Alten, den Einsamen, den Hungernden, den körperlich oder seelisch Leidenden ...  das ist wirklich Gottesdienst, das heißt Gott zu dienen.  »Was wir einem seiner geringsten Brüder und Schwestern getan haben, das haben wir ihm getan«.
   Daran werden wir auch letztendlich gemessen.
Wer den Nächsten aus dem Blick verliert, der kann zur Kirche gehen sooft er will – in den Augen Jesu hat der am Ende lediglich etwas für sich selbst getan.
   Wer Jesus ernst nimmt, der kommt um das Wort nicht herum, das uns letztgültig deutlich macht, was es wirklich heißt, unserem Gott zu dienen:
   Dem anderen zu dienen, seine Not zu lindern, das ist für Jesus der eigentliche, der wahre Gottes­dienst, und der findet nun mal meist außerhalb der Kirche statt.
Jesus setzt sich gleich mit den Kranken, den Nackten, den Gefängnisleuten, kurz: mit den »Leuten – Ohne«: ohne Geld, ohne Bildung, ohne Wohnung, ohne Beziehungen, ohne Schönheit, ohne Lobby, ohne Macht, ohne Heimat.
Das Gebot, Jesus in den Ärmsten wieder zu erkennen, das gilt für alle Getauften, gleich wer sie sind, Hausfrau oder Papst, Jugendlicher oder (Erz)Bischof.
Die täglichen Berichte tragen das Wissen um diese Menschen und ihre Schicksale allabendlich bis hinein in unsere Wohnzimmer. 
Ich habe es einmal so gelesen (wo weiß ich nicht mehr): Es gibt fünf Evangelien: Matthäus, Markus, Lukas, Johannes und das Leben der Christen. Viele Leute lesen nie die ersten vier, aber sehr wohl das fünfte.
Wenn wir im Denkrahmen des Matthäus-Evangeliums bleiben, dann geht es genau um das, wovon auch bei den Seligpreisungen der Bergpredigt die Rede ist:
… um Menschen, die es wagen, in einer unbarmherzigen Welt barmherzig zu sein, und dadurch vielleicht sogar Nachteile haben;
… um Sanftmütige, die nicht immer gleich zurückschlagen und sich dafür vielleicht sogar den Vorwurf der Halbherzigkeit und unangebrachten Weichheit machen lassen müssen;
… um Friedfertige, die es wagen, dem Freund-Feind-Denken in den verschiedenen Gruppen und Völkern entgegenzutreten und die darum als unsichere Kantonisten und unzuverlässige Genossen angesehen werden;
Menschen, die es wagen, auf Gott zu setzen, seinen Namen hochzuhalten und sich dafür den Vorwurf der Spinnerei oder den Spott einhandeln, nicht mit der Zeit zu gehen und altmodisch zu sein.
Das ist der Gottesdienst, von dem im Evangelium die Rede ist.
 
Maßlose Überforderung?
Was kann unser einer schon ausrichten?
 – auch nur ein Mensch; – manchmal einfach müde und ausgebrannt. Und außerdem: Oft genug sogar selbst Opfer dieser Verhältnisse.
? doch Drohbotschaft
die Dinge verlangt, die keiner leisten kann?
Ich glaube nicht!
Genau genommen ist von einem Menschen die Rede. »Was ihr für eine/einen dieser geringsten getan habt ... « – Nicht gleich die ganze Welt retten, – bei einem und einer fängt es an!
– noch so unscheinbar – bei Gott aufgehoben.
Es hat einen Sinn, den Becher zu reichen, den Gefangenen zu besuchen, den Nackten zu kleiden. Es hat einen guten Sinn auch dann, wenn es sich nicht weiter auswirkt und alles scheinbar unbemerkt untergegangen ist. Auch wenn sich erkennbar nichts verändert hat, bei Gott ist es nicht vergessen. Bei ihm zählt es.
Darum sollen wir uns und unsere Perspektive nicht nur auf den knappen Rahmen unserer Jahre einschränken lassen. Gott ist viel größer, und es lohnt sich, ein Stück von diesem Wissen um die Ewigkeit in unser Leben hinein zu nehmen.
Dazu will Evangelium ermuntern:
Mut machen, noch in der Welt schon über die Welt hinaus mit dem Herrn der Welt zu rechnen und ihm unser Tun anzuvertrauen.
Vielleicht können wir so den ganz konkreten Nächsten wahrnehmen,
… zuhause … den Arbeitskollegen … den nervigen Nachbarn … oder den …. was weiß ich?
Es geht es nicht um pathetische Formeln, das Ganze findet statt im banalen erfahrbaren Alltag.
Es wird kein Martyrium verlangt, sondern nur, dass man nach dem Kranken sieht, dem Durstigen ein Glas Wasser gibt, den Hungrigen Essen und Obdachlosen eine Unterkunft.
Manchmal scheint es, dass heute alles so schrecklich kompliziert geworden ist. Aber nach unserem Evangelium ist das Entscheidende nach wie vor recht einfach: »Was ihr für eine oder einen dieser Geringsten  getan habt, das habt ihr mir getan! Und was ihr für einen nicht getan habt, das habt ihr auch für mich nicht getan."   Amen  

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Ich war knapp dran zu applaudieren – was sich aber nicht gehört.
   Die Bibelstellen habe ich online von der Universität Innsbruck zitiert, etwa von hier (Der gute Hirt).
(*) Vers Ez. 34,17, «vos autem greges mei haec dicit Dominus Deus ecce ego iudico inter pecus et pecus arietum et hircorum» bleibt meines Erachtens im Deutschen grammatikalisch so unverständlich: »Ihr aber, meine Herde – so spricht Gott, der Herr –, ich sorge für Recht zwischen Schafen und Schafen, zwischen Widdern und Böcken«. Eher sollte es heißen: »Aber zu euch, meine Herde, spricht der Herr so: ›Siehe, ich will richten zwischen Schaf und Schaf und zwischen Widdern und Böcken‹«.

Links:
https://www.bibelwerk.de/sixcms/media.php/185/a_43_l1_christkoenig_ez.pdf
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Meine Polemik zum Thema »pro multis« und hier
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