28. Dezember 2013

Elektronikstürmer in der Schule

Ich will ganz ehrlich sein. Einen Rosenkranz beten kann ich nicht, selbst mit Anleitung nicht. Da laufen mir die Gedanken hoffnungslos weg. Ein einzelnes Vaterunser, Satz für Satz mit Sinn bedacht, das geht; das trainiert man ja gelegentlich. Dann: Eine lange Autofahrt ohne Autoradio oder sonstige Beschallung, das schaffe ich, genieße es oft sogar; ich hattte das auf meiner Santiagofahrt 1999 probiert. Ansonsten bin ich computersüchtig, wie man an diesem Blog sieht.
   Jetzt ging’s unlängst in der Plenarsitzung aller Elternpflegschaftsmitlieder (»Schulpfegschaftssitzung«) »meines« Gymnasiums um das Thema Handy in der Schule. Die Regelung sieht vor, dass während des Unterrichts alle elektronischen Geräte ausgeschaltet sein müssen, wie bis dato im Flugzeug bei Start und Landung. Bei Schularbeiten und Prüfungen sind sie dem Lehrer abzugeben – oder später von den Eltern im Schulsekretariat abzuholen, extra peinlich.
   Zwischendurch muss man wissen, dass eine »Elternpflegschaft« nichts mit der Pflege der Eltern zu tun hat. Das sind in der Schule die Elternvertreter, also engagierte Eltern. Die haben vielleicht viel zu sagen, aber gar nichts zu entscheiden. Dennoch: Plädoyers werden gerne gehalten. Diesmal sollte uns die Handyregelung nahegebracht werden. Sie war hinter den Kulissen aus- und umgearbeitet worden. Nun sollte das elternvertreterliche Placet folgen.
   Doch dann hielt eine junge Mutter ihren Ipad hoch: Ob denn die Nutzung von elektronischen Notizbüchern verboten sei? – Ja, natürlich, hieß es. Später hab’ ich dann noch gefragt, ob man von der Tafel was abfotografieren darf oder eine Folie: Gewiss doch nicht! Schon, weil da nicht jeder kommen könnte. Elektronik ist teuer, das kann sich nicht jeder leisten, und dann wären die Chancen nicht gleich. (Wobei für die allgemein begrüßte Skiwoche unserer Klasse, ich meine, 380 Euro als Sonderausgabe der Eltern vorgesehen sind.)
Kindle-Werbung von Amazon
Bei Klassenfahrten hätte sich elektronische Abstinenz so schön bewährt, die Kinder hätten wieder mit sich gespielt, man habe wieder gesungen und so weiter. Jugendbewegung kam in die Herzen, Lagerfeuer, Stockbrot. Die Diskussion lief Gefahr, Handys et cetera ganz aus der Schule zu verdammen. Technikaffinität hielt sich deutlich in Grenzen, ja in Bastionen. Warum gibt es keine Schulbücher auf Kindle (ab € 50)? Das werden uns wohl erst einmal die Schwaben vormachen müssen, zu denen der Begriff »Kindl« passt. Unsere Lehrer hier weigern sich zum Teil, überhaupt E-Mail-Adressen bekanntzugeben, andere wiederum halten ihre Telefonnummer geheim. Der Datenschutz macht’s möglich. Und die deutsche Schulordnung, bei der das höchste Entscheidungsgremium in einer Schule nicht ein Direktorium ist, schon gar nicht ein Direktor, sondern die Mehrheit der Lehrer, ist nicht dazu angetan, einem Mitwirkenden Zwang anzutun.
Kindle in der Oberstufe? Ebenfalls aus der Amazon-Werbung
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