2. Oktober 2012

Es war einmal …
Kirchensitten 
Eine Anleitung mit Rückschau

Hier was aus dem vorigen Jahrhundert, fast schon aus dem vorvorigen. Es geht um Kirchenbesuch, zunächst einmal in einer römisch-katholischen.
   Wer hier in eine Kirche geht, der braucht nicht wie anderswo vielleicht die Schuhe auszuziehen, als Zeichen für Respekt und Hochachtung. Dennoch ein paar Empfehlungen:
   Bei fremden Leuten, und sei’s bei Gott, benimmt man sich zurückhaltend. Hat man dort etwas zu tun, sagen wir, fromm dem Sonntagsgottesdient zu folgen, so zeige man durch sorgfältige Kleidung, dass man nicht nur so mal zufällig vorbeigekommen ist. »Sonntagsstaat« ist nicht mehr üblich, aber allzu abgerissen sollte einer nicht daherkommen.
   Die Kleidung soll nicht zu sexy sein, die Kirche ist kein Chat- oder Flirtraum. Allzu kurze Hosen, Haare auf der Brust, tiefe Ausschnitte, das alles lenkt Betende ab, und der liebe Gott weiß ohnehin, allwissend, wie das aussieht. Kirchen im Süden, etwa der Markusdom in Venedig, verlangen bedeckte Schultern und mindestens lange Hosen. Wallende, offene Haare sollte man dort mit einem lockeren Kopftuch bedecken – ev. schwarz und mit Spitzen. Es war Sitte, dass Männlein und Weiblein getrennt saßen, die Männer rechts, die Frauen links. Das ist in Vergessenheit geraten.
   Betritt man die Kirche, so kann ein kleines Kreuzzeichen mit Weihwasser nicht schaden. Das Bekreuzigen darf bescheiden ausfallen: ein Kreuz auf der Stirne, eins auf den Lippen (oder am Kinn) und eins auf der Brust. Das große Kreuz mit Armwedeln nach links und rechts (Stirne, rechte Hand zur Brust, dann zur linken Schulter, zur rechten) ist beliebt und macht mehr her. Doch Bescheidenheit ist eine Tugend. (Was eine Tugend ist, moderne Leserin oder Leser, steht in der Wikipedia. »Bescheidenheit« mag als Wort noch bekannt sein, allerdings eher abwertend …)
   Männer nehmen Hut oder Mütze in der Kirche ab, so sie solches tragen. Ausnahme: Schützen in Uniform mit Gamsbart am Hut.
Albrecht Dürer - Betende Hände
   Die Hände habe man nicht in den Hosentaschen oder sonstwo, sondern gefaltet. Verlegen vor Gott braucht keiner zu sein. Dabei werden die Finger ineinander verwoben. Wie bei Albrecht Dürer muss es nicht aussehen, das fällt heutzutage auf.
   Passiert man den »Äquator« der Kirche – ich nenne die Mittelachse einmal scherzhaft so – so gedenkt man der vorne am Altar im Tabernakel eingeschlossenen, geweihten Hostien. Nach katholischer Auffassung sind sie durch die Wandlung zum Leib Christi geworden, dem man Respekt zollt durch eine Kniebeuge und ein Kreuzzeichen. Also nicht beliebig in der Kirche herumwandern, sondern beim Wechsel von einer Seite zur anderen kurz nach vorne sehen und hinkien, mit einem Knie. Das Mindeste ist eine Verbeugung mit Kreuzschlagen (Bekreuzigen).
   Protestanten machen das nicht. Ihre Auffassung von der Wandlung ist eine leicht andere. Bei ihnen ist Gott überall in der Kirche, und nicht irgendwo ganz besonders.
   »Läuft« gerade eine Messe, wenn man eine Kirche besichtigt, so störe man die Gläubigen nicht durch auffälliges Herumlaufen und lautes Vorlesen aus dem Reiseführer.
   Die Teilnahme an der Kommunion ist formal nur Katholiken erlaubt, die ohne schwere Sünde sind. Das aber ist ein anderes Thema und sehr umstritten. Jeder möge das halten, wie er mag. Allgemein aber halte man offensichtlich unmündige Kinder – strenggenommen alle, die noch keine »Erstkommunion« hatten – vom Kommunizieren ab. Der Priester oder die Priesterin (die ist dann übrigens keine), der oder die die Kommunion austeilt, wird Ihr Kind gerne durch Handauflegen segnen. In der Wirkung ist das sogar besser als eine unwürdig genommene Kommunion.

Soweit mein Kochbuch für den Kirchenbesuch. Kommentare können kommen: Fritz@Joern.De

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